Kurze geschichtliche Einführung

Das Wasserburger Malhaus wird im Jahre 1597 als Gerichtshaus der Fugger gebaut

Das Jahr 1597 ist weltpolitisch und historisch nur von untergeordneter Bedeutung: In England herrscht die »jungfräuliche Königin« Elisabeth I. nachdem zehn Jahre zuvor ihre Widersacherin Maria Stuart auf dem Richtklotz gestorben war. Fast zur selben Zeit wird die spanische Armada des Königs Philipp von den Engländern vernichtend geschlagen. Die Inquisition fordert einen blutigen Tribut unter den Protestanten im Inneren des Reiches.

Nach dem glänzenden Sieg von Philipps Halbbruder Johann von Österreich in der Seeschlacht voll Lepanto scheint die »Türkengefahr« fürs erste gebannt.In Bayern übernimmt der 24jährige Herzog Maximilian die Regierung. Unter ihm wird München neben Rom und Madrid ein neuer Schwerpunkt der Katholischen Welt. Im Bodenseestädtlein Rorschach erscheint erstmals eine periodische Zeitung im Druck. Redakteur und Verleger ist der Augsburger Bürger Samuel Dilbaum. Es handelt sich um die erste und älteste bisher bekannt gewordene Zeitung der Welt.

Wasserburg hat seit 1592 einen neuen Herrn. Jakob Fugger, Freiherr von Kirchberg und Weißenhorn zu Babenhausen hat die Herrschaft Wasserburg für einen Preis von 63 000 Gulden gepfändet. Seine Tochter Svbilla ist mit dem regierenden Grafen Hans von Montfort zu Tettnang, einem Angehörigen der Becknacher Linie vermählt.Das Haus Montfort, dem Wasserburg, mehr als zwei Jahrhunderte angehört hatte, war fast immer in Geldnot, nicht zuletzt wegen des ausgeprägten Dranges zur Repräsentation, der sich in gewaltigen Bauvorhaben besonders in der Residenzstadt Tettnang äußerte.

So war Hans Montfort bei seinem Schwiegervater Jakob Fugger, einem der reichsten Männer seiner Zeit, dermaßen verschuldet, dass schließlich die ganze Herrschaft Wasserburg den Besitzer wechseln musste. Dieses Stück Land am nördlichen Bodensee, zwischen Leiblach und Argen wurde des Öfteren »als Notnagel darangegeben« oder diente als Objekt der Spekulation. eine Gepflogenheit, die sich bis zum heutigen Tage allenthalben erhalten hat.

Zeichnung: Fridolin Altweck

Die Fugger in Wasserburg

Jakob Fugger übernahm am 26. August 1592 die Herrschaft Wasserburg hochoffiziell und ließ sich von seinen neuen Untertanen im Schlosshof der Inselfestung gebührend huldigen.Die adelige Familie wohnte damals zumindest zeitweise im neugebauten Schloss, das der wohl profilierteste Montforter, nämlich Hugo XVI. von Montfort-Rothenfels zwischen 1537 und 1555 im Renaissancestil umgebaut hatte.

Hugo war mit einer Gräfin von Zweibrücken-Bitsch verheiratet, hochgebildet und ein versierter Staatsmann. Seiner Vermittlung war es zu danken, dass der Friede von Weingarten am 16. April 1525 zumindest am Bodensee den Bauernkrieg beendet hat. Andere Quellen nennen Hurlewagen als Vermittler und schildern Hugo von Montfort als gnadenlosen Bauernfeind.

 

Jakob Fugger, ein Mann ohne Geldsorgen, hat auch bald sein landesherrliches Patronat in der Wasserburger Sankt-Georgs-Kirche wahrgenommen. Die in der Art von Schlusssteinen gearbeiteten Stifterwappen des Klosters Sankt Gallen unter Abt Bernhard Müller II (später im Auftrag von Abt Rudolfis geändert) und das Fuggersche Allianzwappen im Innern der Sankt-Georgs-Kirche an der Wand über dem Chorbogen, tragen beide die Jahreszahl 1595. Etwa in dieser Zeit dürfte auch die Erweiterung der bis dahin gotischen Sankt-Georgs-Kirche in eine Hallenkirche erfolgt sein. Hatte doch die Gegenreformation eine große Zahl von Kirchgängern mobilisiert, die nach mehr Platz verlangte.Es ist nicht überliefert, wann Jakob Fugger den Entschluss fasste, auf der Insel Wasserburg ein separates Gerichtshaus zu bauen. Vermutlich waren bis dato Räume im Schloss oder im dahinter liegenden Amtshaus zur Ausübung der Rechtsgeschäfte vorgesehen.

Ursprünglich hatte man in der alemannischen Tradition unter freiem Himmel an einer Thing- oder Malstätte Recht gesprochen. Bereits die Montforter Grafen hatten auf Wasserburg die Blutgerichtsbarkeit inne. Beispielsweise wurde 1525 in Wasserburg über den Aufrührer Dietrich Hurlewagen, der noch nach Abschluss des Weingartner Friedens das Kloster Langnau überfallen haben soll, Gericht gehalten. Allerdings konnte man dessen während des ganzen Prozesses nicht habhaft werden.

Die Blutgerichtsbarkeit war nun durch den Kauf der Herrschaft Wasserburg auf Jakob Fugger übergegangen. Offenbar rechnete dieser in seinem neuen Herrschaftsbereich mit einer hohen Kriminalitätsrate - diesbezügliche Berichte aus der davor liegenden Montforter Zeit sind allerdings nicht bekannt. In das Erdgeschoss des Gerichtshauses wurden jedenfalls fünf Gefängniszellen integriert, die um einen größeren Raum ergänzt wurden, der vermutlich für das Wachpersonal gedacht war. Ein bis heute vorhandener massiver Stahlhaken im Zentrum der gewölbten Decke lässt die Vermutung aufkommen, dass hier die hochnotpeinlichen Befragungen und Verhöre stattfanden und dass in diesem Raum gefoltert wurde.

In den Bau des neuen Gerichtshauses wurden die inzwischen strategisch nicht mehr wichtigen Festungsmauern einbezogen. Sie bildeten ein starkes Fundament für das auf fast quadratischem Grundriss errichtete, zweieinhalbstöckige Gebäude und sind bis heute noch gut zu erkennen. In den ersten Stock wurde der Gerichtssaal eingebaut, mit großen hellen Fenstern zur Seeseite und einer flach gewölbten, sogenannten »Lindauer - Decke«. Ein besonderes Schmuckstück in diesem Raum ist bis heute eine Fenstersäule mit Akantus-Kapitell und Wappenschild, gefertigt aus Rorschacher Sandstein. Leider ist im Laufe der Jahrhunderte das Wappenbild verloren gegangen. Einer mündlichen Überlieferung zufolge sollen es drei Fische geziert haben - es spricht aber viel mehr für ein Fugger-Allianz-Wappen.

In diesem Gerichtssaal wurden die sog. »Wasserburger Hexenprozesse« abgehalten, denen das Fuggersche Mallhaus seine schaurige Berühmtheit verdankt. In einem relativ kurzen Zeitraum, von 1656 bis 1664 wurden hier 26 Personen gefangen gehalten gefoltert und verurteilt. Die meisten von ihnen starben auf dem Scheiterhaufen in Hege. Während der als sehr leutselig und milde bekannte Graf Leopold Fugger als habsburgischer Oberststallmeister vorwiegend in Innsbruck weilte, hatte damals in Wasserburg Bartholomäus Heuchlinger, der Fuggersche Oberamtmann das Sagen. In enger Zusammenarbeit mit dem Lindauer Rechtsgelehrten Dr. Johann Jakob Dilger wurden jene Prozesse vorbereitet und nach der »peinlichen Halsgerichtsordnung des Kaisers Karl V.« durchgeführt. In den Voruntersuchungen wurden gegen alle Verdächtigen, sog. »Öffentlich bescheyte Personen« ermittelt.

Der Wasserburger Pfarrer, ein Kapuziner und zwei Jesuiten waren als Seelsorger bestellt, hatten aber nicht den geringsten Einfluss auf den Gang der Prozesse. Die schreckliche Intensität und Verbissenheit, mit der die Wasserburger Prozesse durchgeführt wurden, ist heutzutage schwer nachvollziehbar. Natürlich suchte man immer Schuldige für Unwetter und Naturkatastrophen, für Hungersnot, Aussatz, Typhus, Cholera, Blattern, Ruhr und Pest. Die Menschen des ausklingenden Mittelalters waren ohnehin sehr empfänglich für Dämonenkult und Massenpsychosen. War der Stein erst ins Rollen gebracht, vermochte ein epidemiehafter Ausbruch Denunzierung und Hexenverfolgung nicht mehr aufzuhalten. Die Anklagepunkte reichten vom Wettermachen über Vieh verhexen, Schänden konsekrierter Hostien, Hexenritt auf Besen und Schaufeln bis zur Unzucht, wobei den Männern zumeist Sodomie, den Frauen Beischlaf mit dem Teufel vorgeworfen wurde.

Nach dem dreißigjährigen Krieg war die »Schädigung an Gesundheit und Leben mit Hilfe des Satans« der häufigste Anklagegrund. Während noch Heuchlingers Vorgänger, Oberamtmann Gastl, 1649 sechs Untertanen wegen Beleidigung einsperren ließ, als diese einen Wasserburger Bauern des »Bockreitens« bezichtigt hatten, verurteilte wenige Jahre später Oberamtmann Heuchlinger eben diesen angeblichen »Bockreiter« im Anschluss an einen Malefizprozess zum Tod auf dem Scheiterhaufen.

Somit waren die ausgearteten Wasserburger Prozesse zum großen Teil ein Machwerk Heuchlingers. Dem Denunziantentum waren Tür und Tor geöffnet. Schlug schließlich das Gutachten des rechtskundigen Sachverständigen (Dilger) den peinlichen Prozess (Folterung) vor, dann wurde dieser alsbald eröffnet. Eine erste Befragung, ob die zur Last gelegten Verbrechen wirklich begangen worden sind, wurde in der Regel verneint. Mit Fortgang der Folter änderten die Delinquenten aber meist schnell ihre Aussagen und legten letztendlich immer ein Geständnis ab. Dieses Bekenntnis, »Urgicht« genannt, musste am Schluss des Verfahrens und unmittelbar vor der Hinrichtung verlesen werden.

Eine nicht zu übersehende Tatsache ist die Abtretung von allem Hab und Gut des Verurteilten an seinen Leibherrn. Die Urgicht wurde nach dem Ende des Verfahrens einem Juristen vorgelegt, dieser schlug Strafe und Nebenstrafen vor. Der Malefizrichter, in Wasserburg der Oberamtmann, berief zwölf Geschworene und bestellte einen Verteidiger, zumeist in der Person des Gerichtsschreibers. Die Verhandlung im Malhaus fand immer in Abwesenheit des Angeklagten statt. Schon vor dieser letzten Sitzung wurden zwei Geistliche bestellt um den armen Angeklagten auf seine Todesstunde vorzubereiten. Das Urteil fiel immer im Sinne der Anklage aus. Allerdings musste es abschließend vom adligen Herrn bestätigt werden. Nach der Urteilsverlesung wurde der Stab über dem Haupte des Malefikanten in drei Teile gebrochen, nun hatte der Scharfrichter seines Amtes zu walten.

Der Sankt-Gallener Scharfrichter Neher, der in Wasserburg dienstverpflichtet war, hatte eine besondere Vorrichtung ersonnen, um peinliche Temperamentausbrüche bei den Malefikanten oder einen Widerruf des Geständnisses in letzter Sekunde zu vermeiden: »Die eiserne Piren«, später auch 'Wasserburger Birne' genannt. Es handelt sich dabei um eine durch eine Schraube verstellbare, stählerne Mundsperre in Birnenform. Die Nebenstrafen, wie Handabhacken oder Abstoßen der Beine mit dem Rad, wurden häufig in letzter Sekunde vom Landesherrn erlassen. Ein schneller Tod durch das Schwert war oft die heißersehnte Erlösung aus allen Qualen.

Ein unbeschreiblich tragisches Schicksal erlitt der 60jährige Bauer Haus Sommer aus Mitten, der zu Beginn des Jahres 1656 in Haft genommen wurde. Über einen Zeitraum von fast zwei Jahren wurde Sommer unzählige Male bestialisch gefoltert und gequält, allerdings konnte damit sein Geständnis nicht erzwungen werden. Vermutlich wollte der leidgeprüfte Wasserburger durch seine Standhaftigkeit seine Unschuld beweisen und damit seine Angehörigen vor einem ähnlichen Schicksal bewahren (Sippenhaft) - was ihm allerdings keineswegs gelang. Zwar wurde Sommer letztendlich entlastet, aber weiterhin unter Hausarrest gehalten. Zudem musste er die Prozesskosten tragen. Seine ganze Familie fiel später der Wasserburger Hexenverfolgung zum Opfer. Als Heuchlinger und Dilger erneut Material gesammelt und 105 Fragepunkte aufgestellt hatten, um einen neuen Prozess gegen den »Hexenmeister Sommer« zu eröffnen, kam ein »gnädiger Gevatter Tod« dem menschenverachtenden Malefizgericht zuvor. Die Akten verzeichnen noch im Jahre 1731 einen letzten Prozess im Wasserburger Malhaus.

Das Malhaus dient der Wissensvermittlung

Neben dem Malhausneubau hatten die Fugger auch an anderen Stellen der Herrschaft Wasserburg das Gesicht der Landschaft verändert. Sie errichteten ein neues Vogtshaus, eine Mühle und eine Münzstätte im Bereich des Wasserburger Bichls. In ihrem Gefolge kamen Handwerker und Händler an den Bodensee. Sechs Generationen lang war Wasserburg Fuggerland. Der zur Zeit der Hexenprozesse regierende Graf Leopold, Oberststallmeister im Dienste des Erzhauses Österreich, hat als einziger in der Wasserburger Sankt-Georgs-Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden.

1696 wurde im Auftrag der Fuggerherrschaft unter dem Präfekten (Oberamtmann) Dominus Johannes Ruoff und dem Vikar Johannes Caspar Schürpf auf dem Antoniusberg eine steinerne Kapelle als Ersatz für ein hölzernes Bauwerk errichtet, die am 8. Oktober 1697 vom Konstanzer Bischof Konrad Gaist von Wildegg eingeweiht wurde. Inzwischen hatten die Fugger offenbar ihr Interesse an der heruntergekommenen Herrschaft Wasserburg verloren und sich anderen Projekten ihres Einflussbereiches gewidmet. Es wird berichtet, dass im Jahre 1720 die Mittel fehlten, um die Zugbrücke vom Festland zum Schloss auf der Insel Wasserburg zu erneuern. Kurzerhand wurde in Fronarbeit der Wassergraben zugeschüttet und damit die einstige Insel Wasserburg in eine Halbinsel umgewandelt. Eine Sandsteinsäule bezeichnet noch heute diese Stelle.

Der letzte Fuggersche Amtmann wurde schon 1740 abberufen. Das Malhaus stand über längere Zeit leer und diente bis zum Jahre 1781 während der Terminierungszeiten den Wangener Kapuzinern und den Franziskanermönchen als Quartier. Vermutlich wurde im Wasserburger Malhaus schon um das Jahr 1746 eine Schulstube eingerichtet. Möglicherweise wurden hier besonders begabte Kinder durch die Ortsgeistlichen gefördert, auch eine musikalische Unterrichtung ist denkbar. Aus dem benachbarten Nonnenhorn wird schon zur Zeit der Monforter über eine Schule für die Herrschaft Wasserburg unter dem Zoller und Schulmeister Andreas Greif berichtet.

Am 17. Februar 1750 ging das stolze Schloss Wasserburg in Flammen auf, der seeseitige Flügel brannte völlig aus. Fünf Jahre später ging die Herrschaft Wasserburg, nach zähen Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten, schließlich an das Erzhaus Österreich. Natürlich wurde auch im Zuge der »Josefinischen Reformen« im nunmehr vorderösterreichischen Wasserburg um 1781 die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Über den Ansturm der bildungsverpflichteten Wasserburger Kinder sind lustige Geschichten überliefert. Die 270 neu eingeschriebenen Kinder mussten in Schichten unterrichtet werden und zwar im Malhaus und im gegenüberliegenden Amtshaus. Der Pfarrer von Wasserburg übte bis ins 20. Jahrhundert die Schulaufsicht aus. Der Lehrer war gleichzeitig Organist und Kirchenmesner. Ein zusätzlich angestellter Hilfslehrer logierte im Amtshaus, während der Hauptlehrer über dem großen Schulzimmer im Malhaus wohnte. Der Hilfslehrer wurde aus dem Gehalt des Hauptlehrers entlohnt und von der Gattin des Lehrers mitverpflegt. Als nach einigen Jahren der über lange Zeit angestaute Bildungshunger in Wasserburg gestillt war, wechselte die gesamte Wasserburger Schule in das ehemalige Amtshaus über. Im Malhaus wurden größere Lehrerwohnungen eingerichtet. Dieser Zustand hielt bis in unsere Zeit. 1953 wurde abseits von der Halbinsel eine neue Schule gebaut. In den 1960er Jahren verließen schließlich auch die Lehrer ihre Wohnungen im Malhaus. Über mehrere Jahre war dann hier die Gemeindebibliothek untergebracht.

Dank einer erfolgreichen Bürgerinitiative konnte in den 1970er eine aggressive Bebauung der Wasserburger Halbinsel in letzter Sekunde verhindert werden. Mit einem erheblichen finanziellen Aufwand wurde schließlich das altehrwürdige Gerichtsgebäude in den Jahren 1978/79 saniert und renoviert. Die Verantwortlichen der Gemeinde Wasserburg taten gut daran, das geschichtsträchtige Gebäude keiner kommerziellen Nutzung zuzuführen.

Am 5. 4. 1979 wurde der Verein MUSEUM IM MALAUS e.V. gegründet. Kurze Zeit darauf wurde mit einer Gedächtnis-Ausstellung für den Wasserburger Kunstmaler Franz Löffler (1875 bis 1955) der Museumsbetrieb im Malhaus eröffnet. Alfred Schmiedinger war von 1979 bis 1991 als erster Museumsleiter für die Ausstellungen verantwortlich, die von der bildenden Kunst und Kunstgewerbe über verschiedene Jubiläumsausstellungen bis zu den alten Wasserburger Erwerbszweigen reichten. Bis heute konnten über 50 Sonderausstellungen im Malhaus gezeigt werden.

Text: Fridolin Altweck