Martin Walser, Kinder- und Jugendzeit in Wasserburg

„Alle Menschen sind am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Das ist länger her, als die Jahreszahlenrechnung vermuten lässt. Damals, das ist inzwischen ein Wort, so gewaltig wie ein Pfahl ...“

„Von Wasserburg an“, so nennt Martin Walser dieses tiefgründige Essay, das er schon 1981 veröffentlicht hat.

Vor fast 85 Jahren kam Johann Martin Walser, so der Eintrag im Taufregister, in Wasserburg am Bodensee zur Welt, als zweiter Sohn des musisch begabten Gastwirts und Kaufmanns Martin Walser und seiner Ehefrau Auguste, geborene Schmid aus Kümmertsweiler.

Martin Walser wuchs in der geschäftigen Welt der Wasserburger Bahnhofsrestauration auf und besuchte die hiesige Volksschule, damals noch im Vogthaus hinter dem Schloss. 1938 wechselte er in die Oberrealschule (heute Bodenseegymnasium) auf der Lindauer Insel und wurde noch vor dem Abitur 1943 zum Militärdienst als Flakhelfer eingezogen. Das Kriegsende erlebte er allerdings als junger Gebirgsjäger und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft nach Garmisch.

Nach seiner ungewöhnlich frühen, abenteuerlichen Rückkehr an den Bodensee legte er 1946 die Reifeprüfung ab und studierte in Regensburg, später in Tübingen Geschichte, Philosophie und Germanistik.

Martin Walser promovierte 1951 bei Professor Friedrich Beißner über Franz Kafka mit dem Titel „Beschreibung einer Form“.

Nach sehr erfolgreichen Jahren als Journalist beim Südwestfunk und ersten überaus bewegten literarischen Gehversuchen gelang ihm mit seinem Roman „Ehen in Philipsburg“ 1957 der Durchbruch als Weltliterat.

Als Mitglied der „Gruppe 47“ und Hesse-Preisträger wechselte er in das Fach des selbstständigen Schriftstellers und ging mit enormem Fleiß und vorbildlicher Schaffenskraft ans Werk: „Halbzeit“, „Eiche und Angora“, „Das Einhorn“, „Der Sturz“, „Jenseits der Liebe“, „Ein fliehendes Pferd“, „Das Schwanenhaus“, „In Goethes Hand“, „Mesmers Gedanken“, „Brandung“, „Heilige Brocken“, „Ohne einander“, „Finks Krieg“, um nur einige wichtige Werke von Martin Walser zu nennen. Auch Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher schrieb der bedeutende Schriftsteller.

Im Jahr 1998 wurde er nach vielen in- und ausländischen Ehrungen mit dem „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ ausgezeichnet. Anlass war sein überaus erfolgreicher Roman „Ein springender Brunnen“, der die Lebensstationen des kleinen Johann mit etwa 6, 11 und 17 Jahren in Wasserburg zwischen den beiden Weltkriegen schildert.

Seine Pauls-Kirchen-Rede als Erwiderung zur Preisverleihung löste eine Welle des Unbehagens und endloser kontroverser Diskussionen aus, die aber einen wichtigen Anstoß gaben zur Aufarbeitung der Schattenseiten in der jüngeren deutschen Geschichte.

Davon unbeirrt schrieb Martin Walser weiter an seinem Lebenswerk: Vor allem die Romane „Der Augenblick der Liebe“, „Tod eines Kritikers“ und „Angstblüte“ sind hier zu nennen. Auf zahlreichen Lesereisen pflegt Martin Walser weltweit den Kontakt zu seinen Bewunderern und Verehrern.

Das Museum zeigt im obersten Stockwerk eine Sammlung nahezu aller Werke des Ehrenbürgers von Wasserburg, seinen Bezug zur Seegemeinde und viele Erinnerungsstücke an längst vergangene Tage.

Text: Fridolin Altweck