Heimischer Obstbau – gestern und heute (01.05. - 15.10.2017)

Ausstellungsplakat
Plakat zur Ausstellung

Während der Fuggerzeit in Wasserburg (1592 bis 1755) wurde vor allem der Weinbau besonders gefördert und ausgebaut. Allerdings erfuhr dieser Erwerbszweig gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen vehementen Niedergang. Verschiedene Rebkrankheiten dezimierten den Bestand an Rebstöcken. Es wird berichtet, dass die im Winter 1799/1800 aus der Innerschweiz zurückkehrenden, im zweiten Koalitionskrieg mit Österreich verbündeten russischen Truppen des Generalissimus Suworow in den kalten Nächten am Bodensee vorwiegend das Holz der Weinstöcke an ihren Lagerfeuern verbrannt haben sollen.

Im Auftrag von Minister Graf Maximilian Joseph von Montgelas wurden Anfangs des
19. Jahrhunderts im ganzen Königreich Bayern nachhaltige Reformen durchgeführt. Mit nahezu „preußischer Akribie“ nahmen hierzulande die neuen Herren alle Äcker und Wiesen, Obst- und Weingärten in ihre Pläne auf, fertigten Listen von Groß-, Klein- und Federvieh bis hin zu den Bienenvölkern, um dem Fiskus für die Steuereintreibung genaueste Daten bereitstellen zu können.

Kartierung der Obst- und Weinbauflächen

Der Wasserburger Ortschronist Ludwig Zürn (1867 bis 1943) beschreibt sehr anschaulich die Situation der „Zehendpflicht und Grundgefälle“ und eine königlich bayerische „Ortsbegehung“ in den frühen Jahren des Königreiches. Federführend bei dieser „Bestandsaufnahme“ zur Feststellung zehntbarer Rebgärten waren dabei der Feldmesser Gebhard Schäffler aus Enzisweiler, Ortsvorsteher Ehrle von Bodolz und Gemeindepfleger David Schnell aus Nonnenhorn. Zürn erwähnt in seinem Artikel sehr ausführlich die dreitägige Begehung und Kartierung der Wasserburger Reblagen und Weingärten und zählt dabei alle betroffenen Flurnamen auf – eine wahre Fundgrube für die Heimatforschung.

Die einzeln stehenden, hochstämmigen Apfel- und Birnenbäume gaben der Milchwirtschaft, dem Acker- und Gemüsebau noch genügend Raum zur Entfaltung. Schon in der österreichischen Zeit, möglicherweise sogar schon bei den Fuggern, gab es detaillierte Baumordnungen, die eine Bewirtschaftung der Obstanbauflächen exakt reglementierten.

Das Original einer österreichische Baumordnung der Herrschaft Wasserburg, die unmittelbar nach der Übernahme durch die bayerische Verwaltung überarbeitet und ergänzt wurde, ist bis auf den heutigen Tag erhalten. Dieses Dokument gibt auf anschauliche Weise alle Bedingungen wieder, die dem erfolgreichen Obstbau damals und noch heute als Grundlage dienen.

Um die vorletzte Jahrhundertwende soll die Reblaus den Weinbau in der Wasserburger Gegend fast völlig zum Erliegen gebracht haben. Dank der Forschungs- und Aufklärungsarbeit der wohlbekannten Pomologen-Familie Lukas aus Reutlingen wurden neue Anbaumethoden, aber auch die Schädlingsbekämpfung und die Obstveredlung in unserer klimaverwöhnten Gegend kultiviert.

Eduard Lukas gründete die Obstbauschule Schlachters, die bis in die heutige Zeit den Nachwuchs unserer Obstbaubetriebe ausbildet.

Wie die ersten Katasterkarten, die nach der bayerischen „Übernahme“ am Bodensee erstellt wurden, zeigen, waren um 1820 Obst- und Weinbauflächen etwa gleich verteilt. An den Hanglagen wurde vorzugsweise Wein, in den Ebenen eher Obst angebaut. Dabei darf man sich die Obstgärten vor 200 Jahren keinesfalls so vorstellen wie die weit ausgedehnten, dicht gepflanzten Obstplantagen heutzutage.

Exakte Flurpläne der in den letzten 60erJahren durchgeführten Flurbereinigung belegen die auf massiven Verbraucherdruck hin erfolgte Umstellung von Hochstammanbau auf Niederstammplantagen.

In der Wasserburger Gegend haben sich in unserer Zeit die Pioniere Gebhard Kraft, Anton Hotz, Julius Schmid und Josef Wächter große Verdienste erworben. Ihre Biografien und Portraits veranschaulichen deren Lebenswerk.

Der Jahreslauf im Leben der Obstbauern – gestern und heute – ist Hauptthema in unserem großen Ausstellungsraum.

Der Obstbau im Jahreslauf

„Otto Normalverbraucher“ freut sich über duftendes, appetitlich aussehendes und wohlschmeckendes Tafelobst. Er denkt in der Regel nicht an die großen Mühen, die dem Obstbauern bis zur Ernte dieser schmackhaften Gottesgaben abverlangt werden.

Das Bauernjahr beginnt schon mit dem Baumschnitt im Winter. Eine sehr aufwändige Arbeit ist die Rodung und Neupflanzung einer Obstanlage. Die Baum- und Bodenpflege, in früheren Jahren sogar die „Frostabwehr durch Flurbeheizung“ sind neben der zunehmend biologischen Schädlingsbekämpfung wichtige Arbeiten in der Obstplantage. Diese aus heutiger Verbrauchersicht als eher selbstverständlich vorausgesetzten Bedingungen mussten über die Jahre wissenschaftlich und praktisch sehr hart erarbeitet werden. Während um die Jahrhundertwende zur Schädlingsbekämpfung noch Jauche mit Kalk vermischt in die Baumkronen der Hochstammanlagen gespritzt wurde, dominierte in den Folgejahren lange Zeit die „chemische Keule“.

Heute sind es vermehrt standardisierte, raffiniert ausgeklügelte biologische Verfahren, die das Aufkommen und die Verbreitung von Schädlingen und Krankheiten in sicheren Grenzen halten. Die auf verschiedenen Fotos abgebildeten archaischen Spritzgeräte können in Natura auch im sogenannten „Vorraum unserer Hexenzellen“ betrachtet werden.

Ein Kuriosum aus heutiger Sicht ist ein „Geländeheizofen“, der zur Frostbekämpfung eingesetzt wurde. Einen großen Teilbereich unserer Ausstellung nimmt die Darstellung der Obsternte ein. Sie erweckt manchmal den Eindruck eines „folkloristischen Familienfestes“, war aber in der Tat mit Schwerstarbeit für Jung und Alt, für Männer wie Frauen und sogar Kinder verbunden. Mit sog. „Sperren“ wurden die Äste der schwer tragenden Hochstammbäume abgestützt. Die Ernte erfolgte in großer Höhe mit primitiven Hilfsmitteln und forderte unter den Wasserburger Obstbauern leider so manches Unfallopfer.
Die meisten fotographischen Darstellungen stammen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Sie werden ergänzt durch Aufzeichnungen und Berichte über Lagerhaltung und Vermarktung, über Genossenschaftsgründungen und juristische Grundlagen eines Obstbaubetriebes.

Natürlich sind der Obstveredlung durch Mosterei und Brennerei eigene kleine Abteilungen gewidmet, ebenso wie der einstigen Obstverwertung im Haushalt.

Artenvielfalt: Alte Obstsorten

Die Vielfalt der Obstsorten mag schon unsere biblischen Stammeltern beeindruckt haben. Eine eindrucksvolle Sammlung von Aquarellen längst vergessener Obstsorten und dazugehörigen exakten Beschreibungen aus der Zeit Napoleons sind ebenso in der Ausstellung zu bewundern wie handkolorierte Stiche aus dem 19. Jahrhundert.

Diese Darstellungen werden ergänzt durch zeitgenössische Gemälde und kunstvolle Porzellanmalerei und originalgetreue Obstmodelle.

Das geschäftige Bemühen um den Absatz landwirtschaftlicher Produkte im vorigen Jahrhundert findet seinen Niederschlag in einer speziellen Vitrine, die dem Obstvertrieb von Wasserburg aus gewidmet ist. Die von Martin Walser im „Springenden Brunnen“ so vortrefflich beschriebenen Apfelsorten „Prinz Ludwig“, „Welschisner“ und „Flammender Cardinal“ sind in der Ausstellung zu finden und mit einer köstlichen Anekdote über die Namensgebung illustriert. Ein dankbares Lob des seligen Pater Rupert Mayer auf das Wasserburger Obst, geschrieben in Briefen und Postkarten an seinen „Burschen“ aus dem ersten Weltkrieg kann man auf einer eigenen Bildtafel nachlesen.

Gerade im Frühling lassen die duftenden Obstplantagen und Streuobstwiesen in ihrer Blütenpracht die Herzen der Menschen höher schlagen. Wenn sich dann im Herbst die Äste unter der Last der prächtigen Früchte neigen und die Erntezeit das Obstbauernjahr abrundet, wird es verständlich, dass der Markenbegriff „Obst vom Bodensee“ für hohe Qualität bürgt.

Fridolin Altweck, Ortsheimatpfleger